Mai 31, 2024
Handschrift als Grundlage fürs Lernen – sind Tablets ab dem ersten Schuljahr hier kontraproduktiv?
Foto: Andrys Stienstra (Pixabay)
Foto: Andrys Sti­en­s­tra (Pix­a­bay)

„Lit­terae est ima­go ani­mae.“ = „Die Schrift ist das Spie­gel­bild der See­le.“
Die­se alte latei­ni­sche Spruch­weis­heit erin­nert dar­an, welch hohen Stel­len­wert die Hand­schrift über Jahr­hun­der­te hin­weg hat­te und auch noch hat. So gehen Gra­pho­lo­gen davon aus, dass die Hand­schrift z. B. Rück­schlüs­se auf cha­rak­ter­li­che Eigen­schaf­ten, Sozi­al­ver­hal­ten, Per­sön­lich­keits­rei­fe, Arbeits- und Füh­rungs­ei­gen­schaf­ten ermög­licht. Auch der Spruch „Zei­ge mir dei­ne Schrift, und ich sage dir, wer du bist!“, weist dar­auf hin, dass der schrei­ben­de Mensch unbe­wusst viel von sei­ner Per­sön­lich­keit offen­bart. Die­se Erkennt­nis­se fan­den ihren Nie­der­schlag in Schu­le und Erzie­hung. Schönschreiben/Schriftpflege war in den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten ein wich­ti­ger Teil des Unter­richts, oft mit meh­re­ren Wochen­stun­den, so in einem Stun­den­plan für die Loh­rer Volks­schu­le von 1824.1aus https://www.ernst-huber.de/schulmuseum/schrift/ — 19.05.2024

Betrach­tet man die Hand­schrift, bei­spiels­wei­se bei Berufs­schü­lern, die schon in der Grund­schu­le die ver­ein­fach­te Aus­gangs­schrift erlernt haben, so stellt man fest, dass die­se zum größ­ten Teil kata­stro­phal und nur schwer zu lesen ist, auch ver­stärkt durch Coro­na.
Vom Satz­bau, der Recht­schrei­bung, … mal ganz abge­se­hen. Erschwe­rend kommt hin­zu, dass vie­le Schü­ler nur noch auf dem PC, dem Tablet, evtl. mit Stift schrei­ben oder nur Kurz­for­men oder Emo­jis ver­wen­den.
Es zeigt sich dabei auch, dass die Lese­kom­pe­tenz, gera­de von län­ge­ren Fach­tex­ten sehr ein­ge­schränkt ist und damit die fach­li­che Kom­pe­tenz nicht “ ‘aus­ge­spielt“ ‘ wer­den kann, da die Auf­ga­ben­stel­lung nicht ver­stan­den wird.

Welche Probleme bringt eine schlechte Handschrift mit?

  • Schrift ist unle­ser­lich.
  • Ver­ein­fach­te Aus­gangs­schrift — kein Schreib­fluss mehr, da jeder Buch­sta­be ein­zeln geschrie­ben wer­den kann durch das Abset­zen.
  • Lücken­text schwe­rer zu bear­bei­ten, da Lese­ver­ständ­nis fehlt!
  • Vie­le Berufs­schü­ler haben das Pro­blem, dass sie sich beim Lesen von Fach­tex­ten so auf das Lesen kon­zen­trie­ren müs­sen, dass der Inhalt nicht mehr behal­ten \bzw ver­stan­den wird.
    Vie­le Abschluss­prü­fun­gen sehen ganz­heit­li­che Auf­ga­ben vor, die die Auf­ga­be mit 5–20 Zei­len beschrei­ben.
  • Wort­gren­zen wer­den nicht mehr erkannt.
  • Bezie­hun­gen im Satz wer­den nicht erkannt.
  • Schrift­bild hat sich über die Jah­re wei­ter ver­schlech­tert.
  • Schrift­tem­po extrem lang­sam.
  • Anteil der Kin­der, die nicht kor­rekt schrei­ben kön­nen, hat deut­lich zuge­nom­men.
    Vie­le kön­nen Buch­sta­ben nicht in einem Zug schrei­ben, son­dern bas­teln sie aus Ein­zel­li­ni­en zusam­men und begin­nen Buch­sta­ben an belie­bi­ger Stel­le.

Was hat die Probleme verstärkt?

  • Schrift durf­te nicht mehr bewer­tet wer­den, daher kein Anreiz, die­se schö­ner zu schrei­ben und die Hand­schrift mit “Fleiß” zu üben.
  • Es wird zu wenig gele­sen — Geschich­ten wer­den nur noch “ange­hört” — Hör­bü­cher
  • Schü­ler brin­gen heu­te weni­ger moto­ri­sche Kom­pe­ten­zen zum Erler­nen des Schrei­bens mit als noch vor eini­gen Jah­ren.
  • Anlaut­ta­bel­le hat die For­m­un­si­cher­heit der Kin­der ver­schärft.
  • Vie­le Kin­der heu­te haben kein Mit­tel­band mehr in ihrer Schrift. Das kommt dadurch, dass sie oft nicht auf Lini­en schrei­ben.
    “Und wenn das Mit­tel­band nicht aus­ge­prägt ist, dann ist die Schnell­stra­ße des Lesens nicht vor­han­den.”
  • Defi­zi­te bei Schreib­mo­to­rik und Schreib­fä­hig­kei­ten.
  • Coro­na

Welche Probleme entstehen zusätzlich durch die Digitalisierung?

  • Augen der Kin­der nicht mehr „ruhig“ -> sprin­gen stän­dig
  • Es wer­den oft nur Kurz­for­men oder Emo­jis ver­wen­det.
  • Durch die auto­ma­ti­sche Worter­set­zung wird oft ein ande­res Wort gefun­den, als der Schrei­ber eigent­lich haben woll­te.
  • Schrei­ben mit einem digi­ta­len Stift auf dem Tablet sehr anstren­gend.
  • Tex­te wer­den dik­tiert und dann vom Com­pu­ter, auch mit KI-Unter­stüt­zung geschrie­ben und ver­bes­sert. Somit wird eine Kom­pe­tenz noch mehr auf die Maschi­ne ver­la­gert.
  • Tex­te las­sen sich ganz ein­fach vor­le­sen — text to speech.
  • Vie­le Tex­te wer­den heu­te auf dem Tablet bzw. Com­pu­ter gele­sen. Dafür wird meist eine seri­fen­lo­se Schrift ver­wen­det.
    Auf dem Papier ver­wen­det man aber eine Seri­fen­schrift, die durch die klei­nen Schwung­bö­gen ein “opti­sches Line­al” bil­den und das Lesen damit ver­ein­fa­chen.

Kom­plet­ter Text als PDF   Antrag an den Lan­des­vor­stand als PDF


More Details